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Warum man bei FotografInnen mehr zahlt als beim Fotogeschäft

Shooting mit dem Patentanwalt Ludwig Lindermayer und dem Münchner Portrait und Business Fotografen Steins Pictures.

Überblick:

Machen Sie auch Bewerbungsfotos„? Diese Frage höre ich regelmäßig am Telefon, denn ich habe ein Google Maps Eintrag und häufig vermuten KundInnen, dass ich auch ein Studio/oder Geschäft hätte. „Leider machen wir nicht klassische Bewerbungsbilder, aber ich kann Ihnen gerne ein Studio empfehlen„, antworte ich meistens, falls dann doch Mal jemand nach meinen Preisen für die „nicht klassischen“ Bewerbungsbilder fragt, wird erst mal geschluckt oder gar schnippisch reagiert.

Sich von mir Bilder anfertigen zu lassen kostet heute um die 350 Euro, das ist teils das Fünffache, was solche AnruferInnen erwartet haben. Und zurecht, denn bei den Studios, die ich empfehle, bekommt man Bewerbungsbilder auch schon für 60 Euro. Warum sind meine Bilder also so viel teurer, ist das gerechtfertigt und wie kommt es zu diesen Preisunterschieden. Darum soll es in diesem Blogpost gehen. Zum Abschluss gebe ich euch auch noch Tipps, wie man günstig an Bewerbungsbilder kommt, die qualitativ höherwertiger sind als die des Studios um die Ecke.

Bewerbungsbilder ganz nach alter Schule

Ich kann mich auch noch genau dran erinnern, diese Art von Bildern, die meine ersten, in teuren Bewerbungsmappen verschickten, Lebensläufe „geschmückt“ hatten. Das Erlebnis mit dem runden Stuhl, den kurzen Pudern, typischen Körpermitte zur Seite verlagertem Sitzen und den ernüchternden Bildern gedruckt im uniformierten Bewerbungsbild Format – mit Möglichkeit auf eine Mitnahme auf einer CD, bei Aufpreis: Eben das, was viele FotografInnen als das klassische Handwerk betiteln.

Natürlich hat sich Fotografie seitdem massiv geändert, als Tätigkeitsbereich und vor allem bezüglich des Anspruchs, der heute an FotografInnen gestellt wird. Zum Glück, denn hätte man heute einen beruflichen Alltag wie damals, hätte mich diese Arbeit niemals gecatcht.

Persönliche, authentische Headshots brauchen Planung, Kennenlernen und Feingefühl für den individuellen Charakter.

Trotzdem gibt es sie noch, die Fotostudios an der Straßenecke und das ist auch gut so, sie haben jedoch sehr, sehr wenig mit meinem Beruf zu tun. Zwar sind wir FotografInnen, aber eben nur so weit verwandt wie ein Schlüsselnotdienst, mit einem Schuster, der auch Schlüsselkopien anfertigt.

Fotografie als Geschäft oder Dienstleister

Das Fotogeschäft um die Ecke oder in der Stadtmitte ist mehr als nur ein Laden in dem man Passbilder machen läßt. Es ist ein Geschäft für Bilderrahmen, Kameras, Zubehör und Postkarten. Das Kerngeschäft liegt eigentlich nicht im Handwerk, sondern im Verkauf.

FotografInnen, die in solchen Arbeitsverhältnissen stecken, sind nicht abhängig davon, Bilder zu schießen. Freelancer wie ich selbst hingegen absolut. Alles, von meiner Miete, Versicherung bis hin zur überteuerten Münchner Iced latte verdiene ich mir durch das Handwerk eines Fotografens und dieses Handwerk ist ein komplett anderes als das des Ladens um die Ecke, was schon bei der Planungsphase beginnt… wobei lokale Fotoläden meistens gar keine wirkliche Planungsphase hat, außer hinsetzen, lächeln und Bilder aussuchen.

Der Prozess hinter den Bildern ist ein ganz anderer

Die Planung und Vorbereitung für jedes einzelne meiner Shootings ist intensiv, als meine Erfahrung in meinen Job zugenommen hat, hat sich zeitgleich mein Anspruch an eine anständige Vorbereitung gesteigert. Es gibt sogar einen kompletten Guide, der genau beschreibt, was alles vorbereitet wird und wie es nach dem Shooting weitergeht.

Da geht es los mit dem Vorgespräch, Moodboard erstellen, Bildsprache festlegen, Locations aussuchen und so weiter.
Und da sind wir noch nicht mal bei der Vorauswahl der Portraits, möglicher Bearbeitungswünsche und Zusendung in verschiedenen Formaten/Prints oder die Speicherung der Bilder für drei Jahre.

Selbst wenn ein Shooting in 20 Minuten erledigt wäre, die Arbeitszeit hinter den Bildern ist weit über drei Stunden, mindestens. Wer dafür 60 Euro kalkuliert, lebt besser bei den Eltern und hat einen Fable für einen sehr minimalistischen Lifestyle.

Niemand steht Schlange, um dir Geld in die Hand zu drücken

Ein Unterschied, der zwar sehr logisch ist, aber gerne von Außen übersehen wird, ist, dass FotografInnen genau wie die meisten FreelancerInnen im Kreativbereich, sich um Ihre Aufträge bemühen müssen.

Selbst FotografInnen, die sich vor gutbezahlten Jobs scheinbar kaum retten können, haben sich diesen Luxus hart erarbeitet. Da steckt jahrelange Akquise, Marketing, Mails, geputzte Klinken oder Suchmaschinen-Optimierung dahinter. Es gibt nicht den einen Erfolgsweg, sondern viele Einzelgeschichten und die lassen sich nie 1 zu 1 übertragen: Weil die Freelancer Fotografie schlicht kein Zuckerschlecken ist, sondern ein ziemlich taffer Markt.

Ich möchte jetzt nicht sagen, dass der Markt für Fotogeschäfte leichter ist. Schließlich verschwinden die kleinen Studios um die Ecke auch gelegentlich von der Bildfläche. Die, die es aber geschafft haben auf einen Vertieb umzusteigen und auf mehreren Standbeinen stehen, haben die Kundschaft direkt im eigenen Laden stehen. Dementsprechend verbringen sie erheblich weniger Arbeitszeit damit, Werbung für sich zu machen oder sich Aufträge zu sichern. Und hier kommt die Krux dabei: Im Preis bei freischaffende FotografInnen muss auch die Zeit für Akquise mitberechnet sein und im übrigen, auch noch ein paar andere Sachen.

Die Geschichte mit Picasso und der Serviette

Angeblich hat Picasso irgendwann mal in einem Cafe gesessen und auf eine Serviette gekritzelt, als eine Bedienung ihn erkannte und beim Zahlen fragte, ob sie die Serviette haben düfte, soll Picasso, keck wie er ist, gesagt haben: „ja, für 3000 Dollar„, woraufhin die Frau meinte „aber sie haben doch nur für eine Minute draufgekritzelt“, darauf Picasso „nein, ich habe mein halbes Leben gebraucht um auf diese Serviette zu kritzeln„. Ich übernehme übrigens keine Verantwortung dafür, dass irgendein Teil dieser Geschichte sich wirklich zugetragen hat.

Aber was lernen wir daraus? Also abgesehen davon, dass Pablo offensichtlich unterbezahlte, von Trinkgeld abhängige Bedienungen abziehen wollte. Wir lernen, dass hinter der Arbeit von KünstlerInnen mehr steckt als nur das bloße Material, sondern auch all die Zeit, Mühe, Fortbildungen und Fehlschläge, die nötig waren, um an diesen Punkt zu kommen. Mit Materialkosten fangen wir gar nicht erst an.

Als FotografIn entwickelt man sich ständig weiter, probiert Neues aus und experimentiert. Das muss auf die eine oder andere Art und Weise auch vergütet werden.

Das heißt, auch bei FreelancerInnen in der Kreativbranche, muss sich das irgendwie im Preis widerspiegeln. Arbeitet man seit Jahren mit denselben Blitzen, demselben Hintergrund und lässt seine KundInnen die exakt fünf Seitenpositionen einnehmen, für jedes Bild universal einsetzbar, dann halten sich die Mühen in fotografische Weiterbildung im überschaubaren Rahmen.

Maßanfertigungen kosten, Fließband nicht

Ich könnte noch auf so viele Aspekte eingehen, zum Beispiel die soziale Komponente, die Vorsorge, das Berufsrisiko oder schlicht die Würdigung einer künstlerischen Leistung gegenüber eines uniformierten Produkts. Aber ehrlich gesagt, glaube ich, die Argumentation ist jetzt schon solide genug.

Freiberufliche FotografInnen kosten ihr Geld und es sollte ihnen frei bestimmt sein, ihren eigenen Wert selbst festzulegen, ohne sich mit den Fotostudio um die Ecke vergleichen zu müssen. Nichmal im entfernteste Sinne.

Und selbst im Fall, dass jemand unbedingt bei mir oder bei meinen KollegInnen Business Bilder für sich haben möchte ohne ein großes Budget, einfach fragen. Häufig finden sich Lösungen und ein Entgegenkommen. Aber dazu mehr im nächsten Absatz.

Starke Bewerbungsbilder auch ohne eine Niere zu verkaufen

Ok, jetzt habe ich so lange argumentiert, warum FreelancerInnen mehr verlangen als Fotogeschäfte, trotzdem weiß ich, dass man nicht immer das Geld auf der hohen Kante hat, um mehrere hundert Euro für Bewerbungsbilder zu investieren. Für solche Fälle gibt es auch Möglichkeiten. Eine davon ist Stock-Fotografie.

Portfolioaufnahmen des Fotograf Daniel Schubert aus München, Deutschland, geschossen digital und auf Film, aus seiner arbeit als Portraitfotograf, Reisefotograf und Peoplefotograf.
Stock Fotografie wird gerne in der Lifestyle-, Food- und Reisefotografie produziert.

Günstige Business Headshots mit Stock Fotografie

Für viele FotografInnen sind Bilder, die man an Blogs/Unternehmen und für die Werbung weiter vermarkten kann, ein attraktives Nebeneinkommen. Es lohnt sich direkt bei KollegInnen in diesem Bereich anzufragen, ob man sich nicht als Model bewerbe und dabei auch ein paar Business Bilder produzieren könnte. Allerdings sollte man ok damit sein, dass die Aufnahmen weiter vermarktet werden.

Hat man damit jedoch kein Problem, dann ist es eine sinnvolle Win-Win Situation für alle Beteiligten. Eine Agentur bei der man Stock-FotografInnen finden kann, ist zum Beispiel Westend61.

Mit BeginnerInnen arbeiten auf TfP-Basis

Eine Alternative ist schlicht, mit AnfängerInnen zu arbeiten, die gerade frisch im Geschäft sind. Die findet man Beispielsweise auf Facebook oder Instagram, Stichwort hierbei ist TfP, Time for Pictures. Darunter versteht man, dass ein Model seine Zeit gibt und FotografInnen ihr Handwerk.

Auch wenn es BeginnerInnen in der Fotografie sind, können sich die Ergebnisse häufig sehen lassen und der wohl größte Vorteil ist, dass man nichts bezahlt. Lediglich vorsichtig bei den Verträgen sollte man sein, insofern, dass Verträge existieren, denn ohne einen bindenden Vertrag, lässt sich schlecht abschätzen, wofür die Fotos später auch verwendet werden.

Wer mehr über die Wichtigkeit eines Vertrages erfahren möchte und worauf es zu achten geht, der kann hier, ganz am Ende des Artikels, mehr dazu lesen.

Im Bekanntenkreis erkundigen, wer gute Bilder machen könnte

Dieser Gedanke ist wahrscheinlich einer der offensichtlichsten und trifft nicht auf jeden Bekanntenkreis zu, aber häufig kennt man doch den einen oder anderen ambitionierten Hobby Fotograf/Fotografin in greifbarer Nähe.

Wichtig ist nur, dass man nicht erwartet, dass die Bilder dasselbe Level haben wie bei ExpertInnen. Ein anständiges Moodboard vorher anzulegen, mögliche Locations im Hinterkopf zu haben und sich danach mit einem leckeren Abendessen zu engagieren sollte man in Erwägung ziehen.

Ich sage es mal ganz direkt, eine anständige Kamera, ein Portrait Objektiv aka 85 mm Festbrennweite und ein bewölkter Tag bei einer Büro-Glasfassade; Voila, ist halt auch kein Hexenwerk (aber verratet es bloß nicht weiter).

Das wars meinerseits auch zum Thema, wenn euch der Post gefallen hat oder ihr noch Fragen habt, hinterlasst mir gerne einen Kommentar und wenn ihr eure Fotografie Skills mit Freunden auf ein neues Level bringen wollt: Wie man seine Liebsten auf Portraits anleitet.

Aufnahme aus dem Kaffeemaschinenverkaufs Betrieb Davide Constanza in München, geschoßen von dem Businessfotograf und Reportagefotograf Daniel Schubert aus Bayern.
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